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Durch Daten-Sound mehr Schub beim Schwimmen
 
 
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05.08.2016  

 
 

Dr. Thomas Hermann (li.) und Dr. Bodo Ungerechts (re.) haben gemeinsam mit Daniel Cesarini PhD ein System entwickelt, das mit Klängen die Wahrnehmung von Schwimmern erweitert.
 
Universität Bielefeld stellt das Projekt vor
 
Schwimmen ist seit 1896 eine Disziplin der Olympischen Spiele. Forscherinnen und Forscher der Universität Bielefeld haben ein System entwickelt, mit dem Profischwimmer ihre Technik optimieren können. Das System erweitert die Wahrnehmung der Athleten: Es lässt sie in Echtzeit hören, wie sich der Strömungsdruck verändert, den sie durch ihre Schwimmbewegung erzeugen. Das System zur "Schwimm-Sonifikation" ist am Exzellenzcluster Kognitive Interaktionstechnologie (CITEC) der Universität Bielefeld entwickelt worden. Im Video berichtet research_tv über die Entwicklung.
 
"Schwimmerinnen und Schwimmer sehen die Bewegung ihrer Hände, sie spüren auch, wie das Wasser über die Hände gleitet, und sie registrieren, wie schnell sie sich fortbewegen. Einen Faktor nehmen die meisten von ihnen aber kaum wahr: Wie sich der Druck verändert, den die Strömung auf den Körper ausübt", sagt Dr. Thomas Hermann vom Exzellenzcluster CITEC. Der Klangforscher arbeitet daran, Daten in Töne zu überführen, die dem Hörer einen zusätzlichen Nutzen bringen. Sonifikation nennt sich dieses Verfahren, das Messdaten systematisch in hörbare Klänge und Geräusche umwandelt. "In diesem Projekt nehmen wir uns den Strömungsdruck als Datenquelle vor", sagt Hermann, der am CITEC die Forschungsgruppe "Ambient Intelligence" (Umgebungsintelligenz) leitet. "Wir vertonen in Echtzeit, wie sich der Strömungsdruck beim Schwimmen verändert. Diese Klänge geben wir über Kopfhörer an die Schwimmer weiter, so dass sie ihre Bewegung danach ausrichten können", sagt Hermann.
 
Für die Forschung zur Schwimm-Sonifikation arbeitet er mit Dr. Bodo Ungerechts von der Fakultät für Psychologie und Sportwissenschaft zusammen. Als Biomechaniker befasst sich Ungerechts damit, wie Menschen ihre Bewegungen, insbesondere beim Schwimmen, steuern. "Wenn ein Schwimmer über das Hören den sich verändernden Strömungsdruck registriert, kann er beispielsweise genauer abschätzen, wie er größeren Schub bei gleichen Energieaufwand erzeugt. Er bekommt so ein umfassenderes Wasserbewegungsgefühl", sagt Ungerechts. Der Forscher hat das System selbst getestet. "Ich war überrascht, wie sehr die Verklanglichung und die Strömungseffekte, die ich selber gespürt habe, übereinstimmen", sagt er. Das System sei intuitiv nutzbar. "Man fängt sofort an, mit den Klängen zu spielen, um zum Beispiel zu hören, welchen klanglichen Effekt es hat, wenn man die Finger spreizt oder die Handstellung verändert", sagt Ungerechts. Das neue System erlaube den Sportlern eine neue Trainingsmög-lichkeit. "Beim Schwimmen mit diesem System entwickelt der Schwimmer einen Eigenklang  -  eine Art Melodie. Wenn jemand besonders schnell eine Strecke gemeistert hat, kann er die Aufzeichnung der Melodie nutzen, um diesen Erfolg in seiner Vorstellung zu wiederholen und nachzuspüren. Durch dieses mentale Training kann er dann auch bei Wettkämpfen erfolgreich sein." Hinzu kommt Thomas Hermann zufolge: "Das Ohr nimmt hervorragend Rhythmen und Veränderungen in Rhythmen wahr. So können die Schwimmer zu einem eigenen Rhythmus finden, um sich daran zu orientieren."
 
Zu dem System gehören zwei Handschuhe mit dünnen Schlauch-Enden als Drucksensoren, die zwischen den Fingern befestigt sind. Diese Handschuhe trägt der Schwimmer beim Training. Die Schläuche sind mit einem Messgerät verbunden, das während des Schwimmens derzeit noch mit einer Angel über dem Schwimmer geführt wird. Das Messgerät leitet die Strömungsdruck-Daten an einen Laptop weiter. Eine eigene Software sonifiziert die Daten, wandelt sie also in Klänge um. "Zum Beispiel kann der während der wiederkehrenden Handaktion ansteigende und abfallende Druck als ansteigende beziehungsweise sinkende Tonhöhe hörbar gemacht werden", sagt Thomas Hermann. Andere Settings, die zum Beispiel die Symmetrie oder die Stetigkeit klanglich herausarbeiten, können nach Bedarf aktiviert werden.
 

 
Die Töne werden in Echtzeit per Stereo-Kopfhörer an den Schwimmer übermittelt. Verändert der Schwimmer eine Bewegung, hört er live, wie sich auch der Ton verändert. Mit Hilfe der Vertonung der Strömung kann er nun beispielsweise beim Kraulschwimmen trainieren, dass beide Hände den verdrängten Wassermassen dieselbe Strömungsform geben  -  er muss nur darauf achten, dass er jeweils den gleichen Ton erzeugt. Weil auch der Trainer die Klänge über Lautsprecher hört, muss der sich bei Anweisungen nicht mehr alleine auf beobachtete Bewegungen beziehen, sondern kann auch Hinweise zu den erzeugten Klängen und ihrem Rhythmus geben ("Gestalte die Handaktion so, dass der Ton schneller ansteigt").
 
Für das Sonifikations-Projekt arbeiten Thomas Hermann und Bodo Ungerechts mit einem Kollegen der Universität Pisa in Italien zusammen: Daniel Cesarini PhD von der Abteilung für Informationstechnik hat das Messgerät entwickelt, das die Strömungsdaten analysiert.
 
In einem Praxis-Workshop im September 2015 bestätigten Profi-Schwimmer nach Tests, dass ihnen das System hilft, ihre Technik zu optimieren. Von den zehn teilnehmenden Schwimmerinnen und Schwimmern sind drei für internationale Wettkämpfe qualifiziert, eine Schwimmerin startet dieses Jahr bei den Paralympics in Rio de Janeiro. Finanziert wurde der Workshop vom Exzellenzcluster CITEC. Außerdem haben Schwimm-Mannschaften des PSV Eindhoven in den Niederlanden das neue System zwei Monate lang getestet und als Teil des Trainings eingesetzt. Der Verein tritt in den Niederlanden in der höchsten Schwimmklasse an.
 
"Für die Schwimmerinnen und Schwimmer ist von Vorteil, dass die Klänge ihnen eine unmittelbare Rückmeldung zu ihrem Schwimmverhalten liefern", sagt Thomas Hermann. "Menschen lernen schneller, wenn sie direktes Feedback erhalten. Denn sie können sofort erproben, wie sich das Feedback  -  in diesem Fall der Klang  -  verändert, wenn sie etwas Neues ausprobieren."
 
Ihren derzeitigen Prototypen wollen die Wissenschaftler weiterentwickeln. "Wir planen ein tragbares System, das unabhängig von anderen Personen genutzt werden kann", sagt Thomas Hermann. Außerdem soll das neue Verfahren in Kooperation mit Schwimmvereinen in ein langfristiges Trainingsprogramm eingebaut werden.



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Autor und Copyright: Sandra Sierras / Beitrag der Universität Bielefeld

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