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Verletzungen im Schulsport
 
 
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05.03.2008  

 
 

Fünf Prozent aller Schüler verletzen sich jedes Jahr beim Schulsport. Dadurch wird eines der Hauptziele des Sportunterrichts, die Kinder zu lebenslangem Sporttreiben zu motivieren, in Frage gestellt. Der Orthopäde, Chirurg und Diplom-Sportlehrer Dr. med. Jens Kelm, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Universitätsklinik Homburg/Saar, zieht durch die Analyse von Schulsportunfällen Schlüsse zur Vorbeugung von Verletzungen im Sportunterricht.
 
„Bei der überwiegenden Zahl der Schulsportunfälle kommt es zu Bagatellverletzungen. Betroffen sind häufig Kinder in der Pubeszens“, so der Homburger Arzt. Dafür verantwortlich könnten einerseits hormonelle Änderungen sein, die zur psychischen Instabilität führen. Andererseits könnten ausgeprägte konstitutionelle Proportionsverschiebungen gestörte motorische Handlungsabläufe, Selbstüberschätzung und Konzentrationsmangel mit sich bringen. Den hohen Anteil der Ballsportunfälle führt Kelm darauf zurück, dass von den Individualsportarten große Unterrichtsanteile auf die Mannschaftsspiele verlagert wurden und zudem die Komplexität der Spielabläufe an sich ein erhöhtes Unfall- und Verletzungsrisiko darstellt. Außerdem würde das Unfallgeschehen in den klassischen Individualsportarten des Schulsports wie Gerätturnen und Leichtathletik über-, die Ballsportarten dagegen unterschätzt.
 
„Bei den Schülerinnen waren neben der Ballannahme und speziellen Geräteturnübungen vor allem Balltechniken wie Pritschen, Prellen und Schießen die vorrangig unfallbelasteten Situationen“, sagt Dr. Kelm. Dies erklärt er mit sozialisationsbedingten Defiziten der Mädchen im Umgang mit Bällen. Bei den Schülern zeigte sich dagegen, dass motorische Fehlhandlungen und äußere Gewalteinwirkungen wie mangelnde Übersicht, Konzentrationsschwächen und dadurch auch unkontrolliertes und mit negativ belastetes Spiel einschließlich Foulspiel Unfallsituationen provozierten.Da sich die Mehrzahl der Unfälle in komplexen Spielsituationen ereignete, müsse sichergestellt sein, dass die sportlichen Handlung gekonnt ist, bevor die Anwendung im Wettkampfspiel erfolgt. Zudem sollten schulsportadäquate Regelanpassungen sowie methodisch organisatorische Maßnahmen zur besseren Überschaubarkeit von Sielsituationen und soziales Handeln stärker in der Unterrichtsplanung berücksichtigt werden.
 
 
Interview
Robert Zaske (61) ist Diplom-Sportlehrer und seit neun Jahren Schulleiter der Grundschule Sennenfeld in Homburg. Dort unterrichtet er 14 Stunden Sport in der Woche. Wie sieht er die Verletzungsgefahr von Schülern im Sportunterricht als Pädagoge?

Herr Zaske, wie viel Sportunterricht haben die Kinder an Ihrer Grundschule und wie häufig kommt es dabei zu Verletzungen?
 
Die 370 Kinder an unserer Schule haben in der Regel zwei Stunden Sport in der Woche. Dabei kommt es durchschnittlich etwa einmal im Monat zu einer Verletzung. Meistens haben sich die Kinder bei Lauf- oder Ballspielen gestoßen und sich dabei Prellungen oder Schürfwunden zugezogen.
 
Was sind in Ihren Augen die Ursachen für Schulsportunfälle?
 
Bei schwereren Verletzungen wie zum Beispiel Knochenbrüchen liegt es oft daran, dass eine Hilfestellung nicht funktioniert hat oder eine Matte nicht oder falsch ausgelegt wurde. Die häufigen Bagatellverletzungen sind eher durch das schlecht ausgeprägte Orientierungsvermögen der Kinder zu erklären. Sie bringen zu wenig Bewegungserfahrung mit und ihre Koordination ist nur unzureichend geschult. Hier kommen zum Beispiel Kinder auf die Schule, die nicht rückwärts laufen können. Die Koordinationsschulung sollte schon im Kindergarten stattfinden – und zwar durch qualifiziertes Personal.
 
Wie versuchen Sie als Lehrer, das Risiko für Schulsportunfälle zu minimieren?
 
Es ist schon erschreckend, dass Kinder täglich über zwei Stunden vor dem Fernseher sitzen. Kein Wunder, dass sie dann immer unfit ter werden. Dies muss ich bei meiner Unterrichtsplanung bedenken und die Unterrichtsinhalte entsprechend abstimmen. Für Geräteturnen bringen die Kinder zum Beispiel überhaupt nicht die Voraussetzungen mit. Deshalb muss man zunächst die Stützkraf trainieren. Wenn die Kinder fallen, können sie sich mangels Reflexe und Kraft in den Armen oft gar nicht abfangen. Hier muss also zunächst ein Grundgerüst in Sachen Kraft, Fitness und Ausdauer aufgebaut werden.
 
Welche Tipps geben Sie jüngeren Kollegen, um Verletzungen im Sportunterricht zu verhindern?
 
Ein Grundschullehrer muss heute Allrounder sein und auch Fächer unterrichten, in denen er überhaupt nicht ausgebildet wurde. Gerade im Sport wäre eine spezielle Ausbildung aber dringend erforderlich. Ein Sportlehrer muss zunächst darauf achten, dass die Kinder vernünftige Sportbekleidung tragen. Er muss sich schon im Vorfeld Gedanken über die Unterrichtsorganisation machen, über Methodik, Sicherheitsvorkehrungen, Hilfsmittel etc. Außerdem rate ich allen Kollegen, regelmäßig an Fortbildungen teilzunehmen, zum Beispiel an denen der Bundesarbeitsgemeinschaft der Gemeindeunfallversicherungsverbände.
 
Was sind in Ihren Augen die effektivsten Maßnahmen, um Verletzungen im Schulsport zu verhindern?
 
Für die Kinder wäre es wesentlich besser, wenn sie täglich eine Stunde Sportunterricht hätten. Außerdem sollte Bewegung grundsätzlich Unterrichtsprinzip sein. Dies müsste seitens des Ministeriums an die Schulen herangetragen werden. Es ist einfach unsinnig, dass ein Kind den ganzen Morgen ruhig auf seinem Platz sitzen soll. Wenn es die Füße auf den Stuhl legt, darf man das nicht als Disziplinlosigkeit verstehen, sondern als Bedürfnis nach Bewegung. Ich habe einmal bei einem Schüler bemerkt, dass sein Akku leer war. Daraufhin habe ich ihn losgeschickt, um eine Runde um die Schule zu laufen. Der kam dann etwas außer Puste zurück und sagte: „Ah, jetzt geht’s wieder besser!“
 
 

Überblick: Verletzungen beim Schulsport
 
Eine Analyse von 213 Schulsportunfällen mit 234 Verletzungen brachte folgende Ergebnisse: Drei Viertel aller Unfälle ereigneten sich in der Sekundarstufe 1, die am häufigsten betroffene Altersgruppe waren die 11- bis 15-Jährigen. Es verletzten sich insgesamt mehr Jungen als Mädchen (Geschlechtsverteilung: 55%:45%). Vier Prozent der Schüler mussten stationär in der Klinik behandelt werden, sieben Kinder wurden operiert.
 
Verletzungsträchtige Ballsportarten
 
Bei den so genannten Großen Spielen ereigneten sich 63% aller Schulunfälle, die meisten davon traten mit 21% beim Fußball und mit 20% beim Basketball auf. An dritter Stelle stand mit 16,5% das Gerätturnen. Beim Fußball verletzten sich mit 36% auffallend häufig Schüler, die auch im Verein Fußball spielten.
 
Meistens betroffen: Hände und Finger
 
Bei 55 % der Unfälle im Sportunterricht waren die oberen Extremitäten betroffen, meistens (41%) die Hände und Finger. An den unteren Extremitäten (37%) kam es mit 20% vorwiegend zu Verletzungen der Sprunggelenke. Kopf- und Rumpfverletzungen traten seltener auf.
 
Distorsionen und Kontusionen
 
Bezüglich der Verletzungsformen zeigte sich ein signifikanter geschlechtsspezifischer Unterschied: Bei den Mädchen kam es mit 37% hauptsächlich zu Distorsionen, bei den Jungen dominierten mit 28% Kontusionen. Auf dem dritten Platz der Verletzungen, die bei Schülern und Schülerinnen etwa gleich häufig auftraten, lagen mit 10% die Frakturen. Während es bei Mädchen eher zu knöchernen Kapselausrissen – meist an den Fingern – kam, waren Jungen öfters von Bandrupturen – überwiegend am Sprunggelenk – betroffen.





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Autor und Copyright: Dr. Wolfgang Schillings / Gesellschaft für Orthopädisch-Traumatologische Sportmedizin (GOTS)

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