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Nepper, Schlepper, Bauernfänger?
 
 
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26.07.2013  

 
 

Der Fachjournalist und Verschwörungstheoretiker Gerhard Wisnewski setzte sich kürzlich in einem Gast-Artikel für den Kopp-Verlag mit dem Thema "Sponsorenläufe in der Schule" auseinander. Darin prangert er vor allem an, dass Kinder hierfür zu Spendendrückern umfunktioniert werden. Ein Artikel, den wir an dieser Stelle einfach mal unkommentiert aufzeigen und als Zitat verstanden haben möchten:
 
 
Nepper, Schlepper, Bauernfänger? "Sponsorenläufe" in der Schule
 
Gerhard Wisnewski
 
Der Sponsorenlauf der Paul-Klee-Grundschule zu Berlin war wieder mal ein voller Erfolg, wie man auf der Website der Lehranstalt nachlesen kann: "Bei herrlichem Sonnenschein und traumhaften 27 Grad" starteten die Klassen "pünktlich um 15:00 Uhr. Angefeuert wurden sie von den Eltern, zahlreichen Verwandten, Bekannten und Freunden. Für die Stimmung sorgte unser Musiklehrer Meinhard Ansohn, der mit Salsa- Samba - und Pop Musik die Läufer und Läuferinnen außerordentlich unterstütze und gute Laune verbreitete. Im Anschluss der Jüngeren Schüler machten sich mit viel Beifall die 4. und 5. Klassen auf den 300 m langen Rundkurs" (Rechtschreibung beibehalten).

Ein schöner Spaß. Dabei steht der Spaß nicht unbedingt im Vordergrund. Denn jede gelaufene Runde eines Kindes ist bares Geld wert. Wie das geht, erläuterte die Einladung zum Sponsorenlauf 2007: Demnach sollte jeder Schüler "einen oder mehrere Sponsoren finden, die sich verpflichten, pro gelaufener Runde einen Geldbetrag z.B. 50 Cent oder 1 € zu spenden". Und: "Sponsor kann jeder werden: Mama, Papa, Oma, Opa, Onkel, Tante, Nachbarn und wen es sonst noch alles im Bekanntenkreis gibt. Am Ende werden die Runden addiert und im Anschluss wird der Betrag gleich beim Kassenwart bezahlt" (Rechtschreibung beibehalten). Und wenn bei einem solchen Sportfest auch noch Kaffee und Kuchen gereicht werden (natürlich ebenfalls von der Elternschaft gespendet), klingelt es erst so richtig in der Kasse. So nahm die Schule 2007 beispielsweise 7600 Euro durch den Spendenlauf und weitere 1700 Euro durch das Drumherum ein - macht zusammen 9300 Euro. Kneifen gilt nicht, denn "der Sponsorenlauf ist eine verpflichtende Schulveranstaltung. Wir möchten Sie daher bitten, die Teilnahme Ihres Kindes zu ermöglichen, damit alle Kinder ihren Beitrag leisten können." Und nicht vergessen: "Es sollte schon gejoggt werden und kein Spaziergang sein."


Der ideale Spendendrücker
 
So ein "Sponsorenlauf" ist auch deshalb eine tolle Sache, weil das Schulkind schließlich der ideale Spendendrücker ist: Denn welcher Erwachsene wollte da schon als Knauser dastehen? Welche Oma, Tante oder welcher Nachbar wäre wohl so schofel, den kleinen Racker abblitzen zu lassen, wenn der um eine Spende für seinen Sponsorenlauf bittet? Und welcher Schüler wollte sich beim Sponsorenlauf schon für geizige Verwandte schämen? Also machen bei dem Umsatzspielchen alle mit. Es tut ja auch gar nicht weh, denn es geht ja nur um ein paar Cent oder einen Euro. Mancher ist vielleicht so großzügig, gleich fünf Euro springen zu lassen - doch Vorsicht: Der Betrag gilt, wie oben gesagt, pro gelaufener Runde! Manche Oma oder mancher Opa hat schon nicht schlecht gestaunt, wenn aus seinen fünf Euro plötzlich 50 wurden!


Nepper, Schlepper, Bauernfänger?
 
Ein Rückzieher ist nicht drin, denn wohlweislich werden die Kinder dazu gebracht, die "Spender" per Vertrag zu verpflichten, das "erlaufene" Vielfache des zugesagten Betrages auch zu bezahlen. "Wenn ihr einen Sponsor gefunden habt, gebt ihm den unteren Abschnitt dieses Zettels", heißt es beispielsweise in einem Schreiben einer Berliner Grundschule an die Schüler. Der "Zettel" ist der Sponsorenvertrag. Hier sollen Eltern, Verwandte und Nachbarn eintragen, wie viel Geld sie pro gelaufener Runde zahlen wollen: "Wenn der Zettel ausgefüllt wurde, gebt ihn bitte bei eurer Klassenleiterin oder im Sekretariat der Schule ab." Natürlich sollen die Kinder "so viele Sponsoren wie möglich" suchen: "Deshalb müsst ihr den Zettel so oft kopieren, wie ihr ihn braucht oder bittet eure Klassenleiterin darum." Je nachdem, wie der jeweilige "Sponsorenvertrag" gestaltet ist, können durchaus mal Missverständnisse über die letztlich zu zahlenden Beträge entstehen - etwa, wenn man den Vertrag nicht richtig liest. Außerdem wirkt da natürlich der Charme der niedrigen Zahl (pro gelaufener Runde).
 
Dass der einzelne Sponsor dabei am Ende ordentlich zur Kasse gebeten werden kann, erschließt sich - wenn überhaupt - erst auf den zweiten Blick. Besonders clever ist beispielsweise die Hilfsorganisation Choose Life, die Materialien für Sponsorenläufe an Schulen bereithält. Anders als in anderen Sponsorenverträgen sieht man hier nur den Betrag pro gelaufener Runde. Daneben gibt es noch ein Feld, in dem jeder Sponsor unterschreibt, dass er die "unten stehenden Hinweise gelesen" hat. Dort erfährt der Sponsor im Kleingedruckten, dass "die von Ihnen zugesagten Spendenbeträge an den Veranstalter zu bezahlen" sind, und zwar "in Abhängigkeit von der Zahl der Runden, welche die von Ihnen unterstützten Laufteilnehmer erlaufen haben". Nur wenige Schulen und Organisationen sind so freundlich, den Gesamtspendenbetrag zu deckeln: "Aus den Erfahrungen der letzten Veranstaltung", schreibt etwa wohlweislich die Realschule Adenau an die Eltern, "möchten wir den Höchstspendenbetrag auf 20€ beschränken und damit die freiwilligen Geldgeber vor "bösen Überraschungen" bewahren".


Unterrichtsfach Geldsammeln
 
Kein Zweifel: Geldeintreiben will gelernt sein. Keine (Geschäfts-) Idee wird ausgelassen, um Angehörigen und Kindern Geld aus der Tasche zu ziehen. Natürlich gehen für Sponsorenläufe häufig auch Unterrichtsstunden drauf. In der Freizeit müssen die Schüler und Schülerinnen dagegen den unvermeidlichen Holzengel für den Weihnachtsbasar zusammenkleben, dessen Erlös einem "guten Zweck" zugutekommt, wie beispielsweise Hungernden in Afrika, Fukushima- oder Tsunami-Opfern. Schulen und Kinder werden von karitativen Großorganisationen eingespannt, wie etwa von der UNO-Flüchtlingshilfe, die gleich die Materialien für den Sponsorenlauf liefert, einschließlich rechtlich verbindlicher Spendenerklärungen. Manchmal wird das eingetriebene Geld aber auch für die Renovierung oder den Ausbau der Schule verwendet, wie in den obigen Beispielen. Also für eigentlich staatliche Aufgaben. Die Kassiermethoden sind dieselben.
 
So oder so geht es um Geld: Ganz nebenbei lernen die neuen Gutmenschen, dass Hilfe in jedem Fall aus Geld bestehen muss. Mitleid und Geldströme werden durch Marketing geweckt und gelenkt; wer Geld an Institutionen zahlt, ist ein guter Mensch. Resultat: Hilfe ist nicht mehr an Beziehungen geknüpft. Geholfen wird nur noch, wo es keine persönlichen Beziehungen mehr gibt - wo es direkte Beziehungen gibt, wird nicht mehr geholfen. Dieselben Kinder lassen alte Damen mit schweren Taschen ungerührt die Treppen hoch keuchen und bleiben in der U-Bahn sitzen, wenn sich direkt daneben ein Senior an die Haltestange klammert. Die natürliche Hilfsbereitschaft wird aus den direkten Zusammenhängen und Nachbarschaften abgezogen, in Geld umgemünzt und anschließend von nationalen oder internationalen Institutionen abgesaugt. Gefragt ist ausschließlich "Cash": Wie sagte doch der ehemalige US-Präsident George W. Bush 2010 nach dem Erdbeben von Haiti: "Ich weiß, eine Menge Leute wollen Decken schicken oder Wasser. Schickt einfach euer Geld!"
 
 
    www.gerhard-wisnewski.de
 




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Autor und Copyright: Detlev Ackermann, Laufen-in-Koeln


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