|
Wann das Garmin Dashboard verrät, dass man sich zurücknehmen sollte  Für ambitionierte Läuferinnen und Läufer sind Smartwatches längst nicht mehr nur Trainingsassistenten, sondern Begleiter rund um Gesundheit und Erholung. Garmin Modelle bieten heute eine Reihe von Kennwerten - etwa Ruheherzfrequenz, Herzfrequenzvariabilität (HRV) oder "Body Battery " - mit denen sich, zumindest hypothetisch, Anzeichen für einen bevorstehenden Infekt oder Überlast erkennen lassen könnten. In diesem Artikel beleuchten wir, was wissenschaftlich stichhaltig ist, wie zuverlässig solche Signale sind - und worauf man im Alltag achten sollte.  Erste Hinweise: warum physiologische Parameter auf eine Erkrankung hindeuten können  Wenn ein Virus, eine Infektion oder ein Entzündungsprozess beginnt, reagiert der Körper früh mit systemischen Veränderungen: Die Immunreaktion wird hochgefahren, Zytokine werden ausgeschüttet, das sympathische Nervensystem aktiviert sich stärker, mitunter entwickelt sich Fieber - all das beeinflusst die autonome Regulation. Einige dieser Vorgänge wirken sich bereits auf Herz-Kreislauf-Parameter aus, noch bevor man sich subjektiv krank fühlt. Wearables, die kontinuierlich Herzfrequenz, HRV und andere Größen erfassen, könnten daher ein Frühwarnsystem darstellen.  In Studien wurde beispielsweise beobachtet, dass bei Infekten die Ruheherzfrequenz typischerweise ansteigt, weil das Herz stärker arbeiten muss, um die entzündungsbedingten Stoffwechselprozesse zu bewältigen. Bei einigen COVID-19-Patienten ging ein deutlicher Abfall der HRV einem Anstieg von Entzündungsmarkern wie CRP um mehrere Dutzend Prozent voraus. Die positive Vorhersagekraft für eine bevorstehende Erkrankung war in diesen Fällen bemerkenswert hoch.  Die HRV selbst ist ein Maß für das Zusammenspiel von Sympathikus und Parasympathikus. Je größer die Flexibilität, desto besser kann der Körper Belastungen regulieren. Ein Absinken der HRV gilt deshalb als Zeichen für steigenden Stress oder sinkende Erholungsfähigkeit. In groß angelegten Studien konnte eine dauerhaft niedrige HRV sogar mit einem erhöhten Sterblichkeitsrisiko in Verbindung gebracht werden.  Garmin verwendet zusätzlich das Konzept der "Body Battery ". Sie basiert auf dem Verhältnis von Erholung, Schlafqualität, Stressniveau und Aktivität - und wird als Prozentwert dargestellt. Hohe Werte deuten auf ausreichende Energie und Erholung hin, niedrige auf Erschöpfung. Viele Nutzer berichten, dass sie sich krank oder erschöpft fühlen, wenn die Body Battery trotz langer Schlafphasen kaum geladen wurde. Drei zentrale Indikatoren: Bedeutung, Interpretation, Grenzen  Die Ruheherzfrequenz (RHR) misst den Herzschlag in völliger Ruhe, typischerweise in der Nacht oder am frühen Morgen. Bei einem Infekt kann sie leicht oder deutlich über das individuelle Mittel steigen - oft über mehrere Tage hinweg. Das liegt daran, dass der Körper auf Entzündungsgeschehen reagiert, indem er Kreislauf und Stoffwechsel anpasst. Untersuchungen mit Fitnesstrackern zeigten, dass während Grippewellen auffällige Anstiege der Ruheherzfrequenz gehäuft auftraten. Allerdings ist der Wert nicht isoliert zuverlässig: Auch Alkohol, Schlafmangel, Hitze, Medikamente oder emotionaler Stress können ihn in die Höhe treiben.  Die Herzfrequenzvariabilität (HRV) beschreibt die natürlichen Schwankungen zwischen zwei Herzschlägen - und damit das Gleichgewicht zwischen Anspannung und Erholung. Ein sinkender Durchschnitt über mehrere Tage kann auf wachsende Belastung, beginnenden Stress oder eine bevorstehende Erkrankung hindeuten. In bestimmten Studien sank die HRV bei Infekten teils über 40?% - mit hoher Vorhersagekraft für eine folgende Krankheitsphase. Auch medizinisch ist die HRV ein sensibler Marker, etwa bei kardiovaskulären Risiken. Ihre Interpretation erfordert jedoch Erfahrung: Sie reagiert empfindlich auf äußere Einflüsse, etwa Koffein, ungewohnte Trainingsformen oder selbst eine veränderte Atemfrequenz bei der Messung.  Die Body Battery fasst mehrere Datenpunkte zu einem Gesamtwert zusammen, der Aufschluss über das Verhältnis von Belastung und Erholung geben soll. Lädt sie nachts nur unvollständig auf - oder bleibt über Tage hinweg im unteren Bereich, obwohl ausreichend geschlafen wurde - kann das ein Indiz für eine körperliche oder mentale Überlastung sein. Besonders aufmerksam sollte man werden, wenn gleichzeitig viele Stressphasen (orangefarbene Linien im Garmin-Diagramm) auftauchen. Allerdings ist der zugrunde liegende Algorithmus nicht offengelegt, was eine genaue Bewertung erschwert. Trotzdem liefert die Body Battery oft wertvolle Hinweise, wenn man sie regelmäßig beobachtet und mit dem eigenen Körpergefühl abgleicht.  Weitere hilfreiche Indikatoren & ergänzende Kennwerte  Neben den drei Hauptparametern gibt es eine Reihe weiterer Messwerte, die zusätzliche Hinweise liefern können. So kann etwa die Hauttemperatur - sofern vom Gerät unterstützt - frühzeitig auf Fieber oder eine Immunreaktion hinweisen. Auch die Qualität des Schlafs spielt eine Rolle: Eine deutlich reduzierte Tiefschlafdauer oder ein gestörter REM-Schlaf können auf Belastungen im Organismus hindeuten.  Veränderungen der nächtlichen Atemfrequenz - etwa eine ungewöhnlich hohe oder unregelmäßige Atmung - können erste Hinweise auf Atemwegserkrankungen geben. Bei Geräten mit SpO?-Sensoren (Sauerstoffsättigung) lässt sich außerdem ein beginnender Infekt mit Lungenbeteiligung erahnen. Und nicht zuletzt zeigt sich in vielen Fällen: Entscheidend ist nicht der einzelne Messwert, sondern die Abweichung vom eigenen langfristigen Mittelwert. Wer seine Daten regelmäßig kontrolliert, erkennt ungewöhnliche Muster schneller. Wie man im Alltag sinnvoll mit diesen Werten arbeitet  Zunächst ist es wichtig, sich über mehrere Wochen hinweg ein persönliches Normalprofil zu erarbeiten - also typische Werte für Ruhepuls, HRV und Body Battery zu dokumentieren. Erst auf dieser Basis lassen sich Veränderungen verlässlich deuten.  Einzelne schlechte Tage sind dabei meist kein Grund zur Sorge. Vielmehr sollte man auf längerfristige Trends achten - also dann, wenn sich ein auffälliges Muster über vier bis sieben Tage hält oder verschärft. Werden mehrere Parameter gleichzeitig auffällig - etwa ein erhöhter Ruhepuls und eine gesunkene HRV und eine schlecht ladende Body Battery -, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass tatsächlich eine körperliche Belastung oder Erkrankung im Anmarsch ist.  Die richtige Reaktion ist dann nicht Panik, sondern kluge Anpassung: Trainingsintensität reduzieren, auf ausreichend Schlaf achten, Stressfaktoren minimieren. Wer aufmerksam agiert, kann so möglicherweise eine vollständige Erkrankung vermeiden. Wichtig ist aber auch: Bei anhaltenden Beschwerden, Fieber oder einer Verschlechterung des Allgemeinzustands sollte immer ärztlicher Rat eingeholt werden. Wearables sind Hilfsmittel - keine Diagnostikgeräte. Ausblick & Grenzen: wie gut funktioniert's wirklich?  Wearables wie die von Garmin nähern sich immer stärker dem Bereich der Gesundheitsfrüherkennung an. In Verbindung mit künstlicher Intelligenz, Temperatur- und HRV-Sensorik könnten sie künftig sogar zuverlässig vor Erkrankungen warnen. Erste Studien zeigen, dass Modelle zur COVID-19-Früherkennung anhand solcher Daten überraschend gute Trefferquoten erzielen konnten.  Trotzdem bleibt Skepsis angebracht: Die Messgenauigkeit variiert je nach Gerät und Tragesituation, die Dateninterpretation ist individuell, und viele äußere Einflüsse machen es schwer, klare Diagnosen aus den Zahlen abzuleiten. Auch ist der Body-Battery-Algorithmus von Garmin nicht öffentlich zugänglich - was die wissenschaftliche Nachprüfbarkeit einschränkt.  Dennoch: Wer seine Daten kennt, regelmäßig reflektiert und in Zusammenhang mit seinem Körpergefühl bringt, kann von den Möglichkeiten der digitalen Selbstbeobachtung profitieren - ganz besonders, wenn es darum geht, rechtzeitig vom Gaspedal zu gehen. __________________________________ Autor und Copyright: Detlev Ackermann, Laufen-in-Koeln |