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Jeck am Start - Wie sich Karnevalseröffnung und Laufkultur in Köln treffen  Am 11. November 2025 um 11:11 Uhr hält Köln den Atem an - oder besser gesagt: Es atmet lauter. In der Altstadt und auf dem Heumarkt startet die neue Karnevalssession. Tausende Menschen in Rot und Weiß strömen zusammen, Musik erklingt, Fahnen wehen, die Stadt vibriert. Es ist dieser Moment, in dem Köln nicht nur feiert, sondern sich selbst feiert. Ein Tag, der in den Kalendern der Kölschen längst reserviert ist - ein Feiertag ohne offiziellen Feiertagsstatus.  Doch während in der Innenstadt gesungen, geschunkelt und gelacht wird, geschieht etwas, das nicht jeder auf dem Schirm hat. Nur wenige Kilometer weiter, im Kölner Norden, fällt zur gleichen Minute ein ganz anderer Startschuss: beim Karneval-Marathon am Pescher See. Kein Kostümball, keine Bühne, keine Funkemariechen - und doch vielleicht die kölscheste Art, diesen Tag zu begehen. Denn hier laufen Menschen nicht nur für eine Zeit, sondern für das Erlebnis.  Zunächst klingt es wie ein Gegensatz: Die eine Welt voll Musik, Tanz und Kölschglas - die andere rhythmisch, gleichmäßig, viele Kilometer am Stück. Doch wer beides kennt, erkennt sofort die Verbindung: Gemeinschaft, Herz und Haltung. Kölner Karneval und Marathonlauf haben mehr gemeinsam, als es auf den ersten Blick scheint. Beide leben von Menschen, die etwas zusammen tun, beide basieren auf Tradition und Leidenschaft und beide brauchen Vorbereitung - körperlich oder mental, meist beides.  Der Karneval-Marathon ist keine Massenshow, sondern fast familiär. Eine Veranstaltung, bei der Menschen oft kostümiert laufen, aber nicht, um aufzufallen, sondern weil es ganz natürlich dazugehört. Wer einmal einen Clown, einen Piraten oder einen Funkensoldaten mit Stirnband und Laufuhr am Handgelenk über die Runde am Pescher See hat joggen sehen, versteht sofort: Köln kann laufen - auch an diesem Tag.  Für viele Läufer ist der November eigentlich Übergangszeit. Die großen Herbstmarathons liegen hinter einem, die Winterläufe warten noch. Genau deshalb bietet der 11.11. die Gelegenheit, das Training mit einem emotionalen Höhepunkt zu versehen, ganz ohne Leistungsdruck. Wer die Marathonstrecke anstrebt, plant ungefähr zehn bis vierzehn Wochen Vorbereitung ein, mit Ausdauergrundlagen im Spätsommer, etwas Temporeiz im Oktober und einem bewussten Zurückfahren kurz vor dem Termin. Ziel ist nicht die persönliche Bestzeit, sondern der Zustand, den Lauf so erleben zu können, wie er gemeint ist: als Begegnung mit der Stadt und mit sich selbst.  Und dann ist da noch das Kostüm. Was auf Fotos lustig wirkt, kann körperlich anspruchsvoll sein. Ein Kostüm sollte leicht, atmungsaktiv und beweglich sein, damit die Freude nicht unterwegs zur Last wird. Es lohnt sich, mindestens zwei Trainingseinheiten in genau diesem Kostüm zu absolvieren. Nur so merkt man, wo es reibt, wo es warm wird und wo man vielleicht auf eine Perücke oder einen Umhang besser verzichtet. Die Kunst liegt darin, die Leichtigkeit des Karnevals zu bewahren, ohne die Laufbewegung einzuschränken.  Die Stimmung trägt dabei erstaunlich viel. Viele Läufer berichten, dass der Karneval-Marathon sich leichter anfühlt als andere Läufe, weil er nicht vom Wettkampf, sondern von Zugewandtheit geprägt ist. Ein freundlicher Blick, ein Lachen am Streckenrand oder ein kurzer Zuruf genügen, um Müdigkeit vergessen zu lassen. Es ist diese besondere kölsche Art, die Freude aus jeder Geste zu ziehen.  So stellt sich zum Schluss die Frage, ob man am 11.11. nun feiern oder laufen möchte. Doch vielleicht lautet die Antwort: beides. Den Lauf am Vormittag, eine heiße Dusche, ein warmes Essen, ein kurzer Moment der Ruhe - und dann in Rot und Weiß in die Stadt. Wer den Tag laufend begonnen hat, wird ihn danach mit einer besonderen Ruhe und Freude erleben. Nicht als Zuschauer, sondern als Teil des Ganzen.  Wenn am Heumarkt die ersten Takte erklingen und die Menge die Arme hebt, laufen im Kölner Norden Menschen mit roten Nasen, Umhängen oder kleinen Federn im Haar über Waldwege. Sie atmen, schwitzen und lachen - nicht im Rampenlicht, aber mitten im Herzen dieser Stadt. Karneval und Marathon schließen sich nicht aus. Sie ergänzen sich. Denn hier wie dort schlägt das Herz im gleichen Takt: gemeinschaftlich, herzlich, kölsch. __________________________________ Autor und Copyright: Detlev Ackermann, Laufen-in-Koeln |