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Body-Mass-Index taugt nicht für die gesundheitliche Risikovorhersage |
Studie: Mediziner
am Münchner LMU-Klinikum empfiehlt neue Messgröße zur Bewertung des Herzinfarkt-
und Schlaganfallrisikos
Kaum jemand bezweifelt, dass
auch Deutschland mitten im Zeitalter von Übergewicht und Fettleibigkeit steckt.
Laut jüngsten Studien sind 75 Prozent aller deutschen Männer und fast 60 Prozent
der Frauen übergewichtig, mehr als 50 Prozent der Männer und 23 Prozent der
Frauen gar fettleibig. Was indes die Zahlen medizinisch bedeuten, ist unklar.
Denn gängige Statistiken beruhen auf Erhebungen mit dem Body-Mass-Index (BMI),
der den meisten wohl vertraut sein dürfte. Doch dieses von der
Weltgesundheitsorganisation WHO empfohlene Maß steht seit einiger Zeit in der
Kritik der Experten. "Der BMI spielt keine Rolle für das Schlaganfall-,
Herzinfarkt- oder Todesrisiko eines Menschen", betont Dr. Harald J. Schneider
von der Medizinischen Klinik der Ludwig-Maximilians-Universität München, Campus
Innenstadt, nach einer neuen Studie, die er geleitet hat. Für derlei
Risiko-Aussagen eignet sich viel besser der Wert, der sich ergibt, wenn man
Taillenumfang durch Körpergröße teilt - kurz WHtR genannt (aus dem Englischen
für waist-to-height-ratio).
Nicht die Menge, sondern die
Verteilung des Körperfetts ist offenbar entscheidend für bestimmte
Krankheits-Gefahren. Tatsächlich sprechen Experten wie Dr. Schneider inzwischen
von "gutem und bösem Fett." Der Speck um den Bauch - also um die Taille - kann
schädliche Fettsäuren abgeben und diverse Botenstoffe in den Körper abgeben, die
Entzündungen fördern. Das passiert auch und gerade in den Gefäßen, was die
Arteriosklerose vorantreibt. Hüft-, Oberschenkel- und Gesäßfett hingegen haben
nach jüngsten Erkenntnissen nichts mit dem Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen
zu tun und wirken mitunter schützend, wie manche Untersuchungen zeigen.
Entsprechend versuchen die Wissenschaftler das ideale Maß zu finden, das die
realen Verhältnisse widerspiegelt. In der Diskussion sind das Verhältnis von
Hüft- zu Taillenumfang (WHR) und eben der WHtR.
Der LMU-Mediziner und seine
Kollegen vom Münchener Max-Planck-Institut für Psychiatrie, der Universität
Greifswald, der Technischen Universität Dresden und der Universität Lübeck haben
in ihre Studie knapp 11.000 Probanden einbezogen und zu Beginn für jeden
Studienteilnehmer WHR, WHtR und BMI ermittelt. Dabei wurden für jedes Maß vier
Größenordnungen festgelegt. Drei bis acht Jahre lang beobachteten die Forscher
dann die gesundheitliche Entwicklung der Probanden. Ergebnis: Ob ein Mensch
einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall bekommt oder daran stirbt, lässt sich
am besten mit dem WHtR abbilden. "Je höher der WHtR, desto größer das Risiko",
erklärt Dr. Schneider. Die beiden anderen getesteten Maße waren weitaus weniger
(WHR) oder gar nicht (BMI) aussagekräftig. "Es gibt immer mehr Studien, die
belegen, dass die Messung des BMI wenig bringt", sagt der Experte des Klinikum
Münchens - und hofft darauf, "dass medizinische Fachgesellschaften und WHO ihre
Empfehlungen für die Messung des Körperfetts bald ändern."
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Autor und Copyright: Dr. Harald Schneider / Klinikum der Universität München
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