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400 Meter: Die härteste Runde der Leichtathletik
 
 
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02.10.2025  

 
 

 
400 Meter: Die härteste Runde der Leichtathletik

 
"Eine Stadionrunde. 400 Meter. Klingt machbar - bis man versucht, sie zu sprinten. Was einfach aussieht, ist in Wahrheit ein Höllenritt für Körper und Geist. Wer hier triumphiert, gehört zu den Härtesten im Sport.
 
Es ist der längste Sprint der Leichtathletik - und gleichzeitig der brutalste. Die 400 Meter verlangen alles ab: Schnelligkeit, Ausdauer, Willenskraft. Und vor allem: die Bereitschaft, sich richtig weh zu tun. Kaum eine andere Disziplin bringt selbst durchtrainierte Topathleten so an ihre Grenzen - körperlich wie mental.
 
Die deutsche 400-Meter-Läuferin Alica Schmidt, eine der bekanntesten Sprinterinnen der Welt, bringt es auf den Punkt: "Die 400 Meter sind für alle eine Hassliebe. Es ist eine Mischung aus Sprint und Ausdauer, die man sehr speziell trainieren muss." Und sie weiß, wovon sie spricht. Ihre persönliche Bestzeit liegt bei 52,21 Sekunden - aber der Preis dafür ist hoch.

Die Geschichte der 400 Meter: Vom Dauerlauf zum Hochleistungssprint
 
Die 400 Meter gelten heute als Sprint - doch das war nicht immer so. Im 19. Jahrhundert wurden sie noch zur Mittelstrecke gezählt. Man lief sie wie einen taktischen Langstreckenlauf: verhalten starten, Kräfte einteilen, am Ende beschleunigen. Es galt schlicht als unmöglich, diese Distanz mit voller Intensität durchzuhalten.
 
Der Wendepunkt kam mit einem Mann, der von dieser taktischen Herangehensweise nichts wusste: "Eric Liddell", ein schottischer Ausnahmeläufer. Bei den Olympischen Spielen 1924 in Paris überraschte er alle - und sich selbst. "Ich laufe die ersten 200 Meter so schnell ich kann. Die zweiten 200 - mit Gottes Hilfe - noch schneller", sagte er. Und er tat es. Gold über 400 Meter. Danach fiel er regelmäßig in Ohnmacht. Sein Lauf wurde später sogar in dem oscarprämierten Film "Chariots of Fire" verewigt.
 
Was damals eine taktische Revolution war, wurde zum Standard: Die 400 Meter mutierten von einer kontrollierten Strecke zu einem kompromisslosen Sprint. Eine neue Ära begann - mit Weltrekorden, die bis heute ehrfürchtiges Staunen auslösen.
 
Marita Koch, die deutsche Ausnahmeathletin aus der DDR, lief 1985 in Canberra eine Zeit, die bis heute unerreicht ist: 47,60 Sekunden. Ein Rekord, der auch Jahrzehnte später noch wie in Stein gemeißelt scheint. Bis heute stellt sich die Frage: Wird ihn je jemand brechen?
 
Wayde van Niekerk aus Südafrika sorgte 2016 für das nächste historische Kapitel: In der Außenseiterbahn 8 sprintete er bei den Olympischen Spielen in Rio zu einer neuen Bestzeit - "43,03 Sekunden". Kein Geringerer als Michael Johnson, selbst 400-Meter-Legende und langjähriger Weltrekordhalter, kommentierte: "Das war unmenschlich."
 
Die Geschichte der 400 Meter ist also nicht nur eine Geschichte des Leidens - sondern auch eine des Wandels. Taktik wurde durch rohe Geschwindigkeit ersetzt. Die Disziplin entwickelte sich vom konservativen Dauerlauf zur explosiven Belastungsprobe. Und bis heute gilt: Wer hier bestehen will, braucht mehr als nur Tempo - er braucht Geschichte im Blut.
 
Die drei Phasen der Qual
 
Was macht diese Distanz so extrem? Es ist die Art, wie der Körper Energie bereitstellt - oder eben nicht schnell genug nachliefern kann.
 
  Phase 1 - Der Raketenstart:
 
In den ersten Sekunden nutzt der Körper gespeichertes ATP und Kreatinphosphat. Das sorgt für explosive Power - aber nur für etwa zehn Seku
nden. Dann ist der Turbo leer.
  Phase 2 - Das Laktat-Feuer:
 
Die nächste Energiequelle ist die sogenannte anaerobe Glykolyse. Dabei wird Zucker ohne Sauerstoff abgebaut - das Ergebnis: Laktat. Was folgt, kennen alle Sprinter: ein höllisches Brennen in den Beinen. Die Muskeln übersäuern, der Körper schreit nach Entlastung - doch das Rennen ist erst halb vorbei.
  Phase 3 - Der Überlebensmodus:
 
Der aerobe Stoffwechsel könnte jetzt helfen - doch der ist zu langsam. Also läuft der Körper im Notfallprogramm weiter. Wer jetzt noch einen Schlussspurt schafft, hat nicht nur Talent, sondern auch eine beängstigende Schmerzresistenz.
 
Ein Lauf gegen den Körper
 
"Es fühlt sich so an, als würde man am Ende nur noch durch die Hölle gehen", sagt Alica Schmidt. Kein Wunder: 400-Meter-Sprinter erreichen Laktatwerte, die man sonst nur bei medizinischen Belastungstests sieht. 20, 25 Millimol pro Liter - Werte, bei denen andere schon lange ausgestiegen wären. Krämpfe, Übelkeit, völlige Erschöpfung - keine Seltenheit im Zielbereich.
 
Und doch: Die Besten meistern genau das. Der Südafrikaner Wayde van Niekerk etwa - sein Weltrekord: 43,03 Sekunden. Ein Schnitt von 10,76 Sekunden pro 100 Meter - ohne eine einzige Pause. Bei den Frauen hält Marita Koch aus der ehemaligen DDR mit sagenhaften 47,60 Sekunden bis heute den Weltrekord.
 
Kein Platz für Fehler
 
Was den 400-Meter-Sprint so einzigartig macht, ist seine Präzision. Wer zu schnell angeht, geht hinten ein. Wer zu langsam startet, hat keine Chance. Jede Kurve, jeder Schritt, jede Entscheidung muss sitzen. Der kleinste Fehler wird bestraft - mit einem völligen Energie-Kollaps.
 
Eric Liddell, Olympiasieger von 1924, formulierte seine Taktik einst so: "Ich laufe die ersten 200 Meter so schnell ich kann. Die zweiten 200 - mit Gottes Hilfe - noch schneller." Damals wurde er nach dem Zieleinlauf regelmäßig ohnmächtig. Heute weiß man: Diese Disziplin ist kein normaler Lauf. Sie ist ein Grenzgang.
 
Die härteste Disziplin?
 
Für Alica Schmidt steht fest: "Im Wettkampf tun die 400 mehr weh als die 800 Meter." Wer das einmal erlebt hat, versteht auch warum. Es ist kein Rennen - es ist ein innerer Kampf, eine Zerreißprobe zwischen Tempo, Technik und purer Leidensfähigkeit.
 
Wer die 400 Meter meistert, gehört zu den Härtesten, die die Leichtathletik zu bieten hat. Denn hier geht es nicht nur ums Laufen - sondern darum, sich selbst zu besiegen.



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Autor und Copyright: Detlev Ackermann, Laufen-in-Koeln


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