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20 % schneller ohne Training - was steckt hinter Nikes Motor-Schuh? |
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Motorisiert durchs Joggen: Ist das noch Laufen - oder schon Science-Fiction?
Das Bild ist verlockend:
Man schnürt die Schuhe, tritt vor die Haustür - und plötzlich läuft alles wie
von selbst. Jeder Schritt wirkt leichter, der Boden scheint nachzugeben, und man
fühlt sich, als hätte man zusätzliche Muskeln in den Beinen. Klingt nach
Science-Fiction? Genau hier setzt das neueste Projekt des Sportartikelriesen
Nike an. Mit dem sogenannten Project Amplify arbeitet das Unternehmen an einem
motorisierten Laufschuhsystem, das laut Hersteller die Art und Weise, wie wir
uns fortbewegen, grundlegend verändern könnte. Das Versprechen: bis zu 20
Prozent schneller laufen - ganz ohne zusätzliches Training.
Für viele klingt das zunächst
nach einem Widerspruch. Laufen gilt schließlich als eine der ursprünglichsten
Bewegungsformen des Menschen, frei von Technik, Motoren oder Hilfsmitteln. Doch
was, wenn Technologie das Laufen nicht ersetzt, sondern erweitert? Wenn sie
Menschen wieder in Bewegung bringt, die sich bislang schwertaten? Nike will
genau das erreichen - und greift dafür tief in die Trickkiste der
Ingenieurskunst.
Die Idee hinter dem "Project Amplify"
Noch befindet sich das System
nicht im Handel, sondern in einer intensiven Entwicklungsphase. Nach Angaben von
Nike und Berichten unter anderem von Reuters und Wattmoves.de kombiniert der
Prototyp einen leichten Motor mit einem Carbon-verstärkten Schuh und einem
externen Akkumodul, das am Unterschenkel befestigt wird. Sensoren erkennen dabei
den Bewegungsrhythmus des Läufers und unterstützen genau in dem Moment, in dem
die meiste Kraft benötigt wird - also beim Abdruck. Die Energieunterstützung ist
so dosiert, dass sie den natürlichen Bewegungsablauf nicht stört, sondern sich
in ihn einfügt.
Bemerkenswert ist, dass sich
das System ausdrücklich nicht an Leistungssportler richtet, sondern an
Freizeitläuferinnen und -läufer, die ein moderates Tempo zwischen acht und zehn
Kilometern pro Stunde bevorzugen. Es geht also nicht darum, Rekorde zu brechen,
sondern um mehr Komfort, Leichtigkeit und Freude an der Bewegung. Laut den
Entwicklern sollen Tests mit über 400 Probanden und mehr als 2,4 Millionen
gemessenen Schritten ergeben haben, dass sich die Laufgeschwindigkeit bei
gleichem Krafteinsatz im Durchschnitt um etwa 20 Prozent steigern lässt.
Chancen für den Laufsport
Für den Freizeitsport eröffnet
diese Idee ganz neue Perspektiven. Viele Menschen kennen das Gefühl, dass Laufen
mitunter mühsam ist - besonders für Einsteiger, ältere Menschen oder jene, die
nach einer Verletzung wieder beginnen möchten. Eine Technik, die das Laufen
erleichtert, könnte neue Motivation schaffen und Barrieren abbauen. Vielleicht
werden dadurch auch Menschen erreicht, die bislang keinen Zugang zum Laufsport
fanden.
Gleichzeitig verändert sich durch solche Innovationen die Trainingslogik. Wenn
die Anstrengung geringer wird, stellt sich die Frage, ob der Körper weiterhin
denselben Trainingsreiz erfährt. Der Fokus könnte sich verschieben - weg von der
reinen Leistungssteigerung, hin zu einem Laufen, das stärker auf Wohlbefinden,
Regeneration und Freude an der Bewegung ausgerichtet ist. Lauftrainerinnen und
-trainer müssten sich in Zukunft vielleicht mit einer neuen Trainingsphilosophie
auseinandersetzen, die Technik gezielt einbindet, statt sie als Fremdkörper zu
betrachten.
Auch für Laufveranstaltungen könnte diese Entwicklung eine Herausforderung
darstellen. Wenn einige Teilnehmende mit technischer Unterstützung antreten,
stellt sich unweigerlich die Frage nach der Fairness. Wird das noch als
sportliche Leistung gewertet oder als technisches Experiment? Denkbar wäre, dass
künftig eigene Kategorien für motorunterstützte Läufe entstehen - ähnlich wie
bei E-Bikes im Radsport.
Zwischen Faszination und Skepsis
So faszinierend die Vorstellung
eines "verstärkten Laufens" klingt, sie wirft zugleich eine Reihe ethischer und
physiologischer Fragen auf. Ist das noch Sport, wenn ein Motor mithilft? Und
welche Anpassungen im Körper bleiben aus, wenn die Anstrengung geringer ist? Es
ist unklar, ob motorunterstütztes Laufen denselben Effekt auf
Herz-Kreislauf-System, Muskulatur und Koordination hat wie das klassische
Lauftraining.
Hinzu kommen praktische
Überlegungen. Noch ist offen, wann und zu welchem Preis das System auf den Markt
kommen wird. Auch das Thema Wartung, Akkulaufzeit und Umweltverträglichkeit
spielt eine Rolle. Und nicht zuletzt stellt sich die Frage nach der Motivation:
Wird man sich an die technische Hilfe gewöhnen - und ohne sie gar nicht mehr
laufen wollen? Oder bleibt sie ein Hilfsmittel für bestimmte Situationen, etwa
für Rehabilitation, Senioren oder längere Strecken?
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Autor und Copyright: Detlev Ackermann, Laufen-in-Koeln
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