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											Training, Training und der Ironmantraum | 
										 
									 
									
									
									
									
										
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Deutschlands neue, boomende 
Sportart heißt Triathlon. Das beweisen rasende Athleten und stark wachsende 
Clubs 
 
Endlich sind zwei schweißtreibende Stunden auf 
dem Spinningrad vorbei. Zu vornehmlich irischer Rockmusik ging es abwechselnd 
über Berg und Tal, je nach eingestelltem Radwiderstand und dem Tempo der Musik. 
Irgendwann hat man wirklich geglaubt, man rase gerade mit fliegenden Beinen 
durch die Highlands. Allerdings unter literweise Schweißverlust. Nun macht sich 
beim Dehnen eine leicht meditative Atmosphäre breit. Zum Ausklang läuft der Song 
aus Philadelphia  da, wo Tom Hanks als Todgeweihter noch mal das Leben an 
sich vorüberziehen sieht. Nach zwei Stunden Spinnen ist das durchaus 
nachvollziehbar. Eine tiefe, entspannte Ruhe macht sich breit, während die Wade 
sich entspannt. Der Kult des Körpers hat im Moment mal den des Geistes 
abgelöst und nimmt nach Meinung der Soziologin Agnes Heller mythische 
Dimensionen an.  
Oder, um 
es mit Joggingphilosoph Fritz Perls zu sagen: Loose your head and come to the 
sense. Die Teilnehmer sind Mitglieder 
der Triathlonabteilung des Kölner Sportclubs ASV Köln. Langsam leben sie wieder 
auf. Schließlich geht es gleich zum Laufen und später zum Schwimmen. Alles 
locker, natürlich. Dient nur der Grundlagenausdauer. 
 
Schlussapplaus für den charmanten 
Einpeitscher, der von allen Ultra genannt und von vielen heimlich bewundert 
wird. Ultra heißt im wirklichen Leben Jochen Dembeck, ist Produktmanager und 
hat eine lange sportliche Lebensgeschichte hinter sich. Sein Kampfname stammt 
von der Teilnahme am Ultraman auf Hawaii, bei dem man innerhalb von drei Tagen 
eine Insel umschwimmt, einen Doppelmarathon absolviert und dazwischen noch so 
viel Fahrrad fährt, wie manche nicht Lust hätten, im Auto zu sitzen. Kollege Brain 
alias Clemens Sandscheper findet das ein wenig zu viel. Der Sportlehrer und 
-wissenschaftler war letztes Jahr Absolvent des normalen Ironman in Kona  3,8 
Kilometer im Wasser, 180 auf dem Rad und 42,195 zu Fuß. Hawaii ist der Mythos 
eines jeden Triathleten. Denn rund um die Lavalandschaft mit Göttin Peles 
tückischen Winden, hohen Temperaturen und über 90 Prozent Luftfeuchtigkeit liegt 
auch sein Ursprung. 
 
Beim letzten Mal hat sich dort 
eine Sensation abgespielt: Ein deutscher Sieger (Normann Stadler) und ein ganzes 
Geschwader deutscher Teilnehmer unter den ersten Ankömmlingen, darunter der 
überraschende Dritte Faris Al-Sultan aus München, Alexander Taubert als Vierter 
und Timo Bracht als Achter, sowie bei den Frauen Tina Walter (10) und Nicole 
Leder (11).
Den Riss im Bild 
lieferte freilich die vermeintliche Siegerin Nina Kraft, die ihren ersten Platz 
unter Einfluss von Doping erzielte und disqualifiziert wurde. Das fulminante 
Gesamtergebnis hat in Deutschland offenbar einen Stadler-Effekt ausgelöst. So 
wuchs beispielsweise die Triathlonabteilung des renommierten 
Traditionssportclubs ASV Köln von der Gründung vor zwei Jahren bis heute auf 116 
Mitglieder und stellt damit wohl den größten Triathlonverein 
Nordrhein-Westfalens. Die Triathlonveranstaltungen zwischen Hückeswagen und 
Hamburg sind inzwischen meistens eine Woche nach Anmeldestart ausgebucht. Dabei 
hat alles so harmlos angefangen. 
 
 
Berühmteste Ziellinie der Welt 
 
Es war einmal im 
Jahr 1978 auf Hawaii, als ein 
Schwimmer, ein Läufer und ein 
Radfahrer im Pazifik 1978 wetteten, wer der härteste Typ ist. Den ersten Ironman 
am Waikiki Beach auf Hawaii 1978 (mit 15 Teilnehmern bei einer Startgebühr von 3 
Dollar) gewann der Taxifahrer Gordon Haller in 11:46 Stunden, nachdem der lange 
führende Marineoffizier John Dunbar zur Erfrischung Bier zu sich nahm und 
daraufhin betrunken in parkende Autos stolperte. Genau vor 25 Jahren wurde durch 
Barrie McDermotts Bericht zur Revanche in Sports Illustrated 1979 die 
Öffentlichkeit informiert - und der lachende Erste Tom Warren, der zum Training 
in der Sauna joggte, zu einer Kultfigur. 1982 sahen fassungslose 
Fernsehzuschauer eine gehende, kriechende und schließlich auf der Ziellinie 
kollabierende Julie Moss. 
 
Der Ironman schuf 
Legenden, wie sie nur noch mit der Tour de France vergleichbar sind: Der 
sechsmalige Sieger Dave Scott und sein Nachfolger Mark Allen, der mit Scott beim 
Psychokrieg Iron War 1989 über 8 Stunden und 138 Meilen Seite an Seite schwamm 
und fuhr, bis er Scott beim Marathon überrundete. Die achtmalige Ironfrau 
Paula Newby-Fraser. Tim DeBoom, der als erster Amerikaner seit Mark Allen 1995 
im Schicksalsjahr 2001 siegte  angestachelt von den Go USA!-Rufen seiner 
Landsleute. Da wurde Triathlon amerikanischer Nationalsport, seit 2000 ist er 
olympische Disziplin. Mit Deutschen seit den Neunzigern an vorderster Front: Die 
Herausforderer Wolfang Dittrich, Jürgen Zäck, Thomas Hellriegel und das Ehepaar 
Leder und andere machten die berühmteste Ziellinie der Welt auch hierzulande 
begehrenswert. Der Zulauf ist enorm, die sportliche Gemeinde wächst, selbst die 
mediale Berichterstattung holt auf  wie auch die Vereine, in denen bekanntlich 
Sport am schönsten ist. Beim Triathlon ist er wegen des Equipments und der 
nötigen Befeuerung fast unentbehrlich. Wer spinnt schon gern allein? 
 
Triathlon kann jeder. Denn hier 
kommt es nicht auf die Länge an. Sondern auf die Dauer. Das kann man lernen. Die 
meisten von den Qualen Begeisterten steigen bei einer Baby- oder bei der 
Olympischen Distanz (1,5km Schwimmen, 40km Rad, 10km Laufen) ein. Dann steigert 
man sich durch gemächliches Training im entspannten anaeroben Bereich, welches, 
konsequent und leistungsdiagnostisch betrieben, auf langer Strecke einen 
sensationelle Leistung hervorbringen kann, die man beim Wettkampf nur noch 
abruft. Ultra, Brain, Iron und El Presidente vom ASV Triathlon haben 
ihren Verein vor zwei Jahren gegründet und sind von sieben auf 120 Mitglieder 
gewachsen, inklusive ehemaliger Berufssportler, Marathonläufer, denen es über 
den Go, Uschi, Go-Rufen in Düsseldorf zu unhip wurde, oder Leute wie El 
Presidente, der angesichts der im TV kriechenden Julie Moss fasziniert die 
letzte Zigarette seines Lebens ausdrückte. Neuen Ausdruck finden die durch 
Training begnadeten Körper meistens in der Provinz bei kleinen, feinen 
Wettkämpfen, bei denen das Gros gegen sich selbst antritt. 
 
Die Vorbilder der Generation 
Triathlon, deren Nachwuchs gerade erst entsteht, sind dabei weniger 
Schnellschwimmer à la Thomas Rupprath, sondern Jesus Christus  der konnte auf 
dem Wasser gehen. Lieber ein Radhamster als die unerreichbaren Pistenwalzen 
Ulrich und Klöden. Und statt der flotten Flitzer heißt das Laufidol 
Lauf-Forrest-Lauf Gump. Wie überhaupt Triathleten mit ihren Namensvettern von 
der Unterwasserbüglerfront oft eine leichte Neurose teilen. Einsamkeit pflastert 
ihren langen, langen Weg zu sich selbst. Wer nicht zu seinem eigenen Rhythmus 
findet und sich an anderen oder zu hohem Anspruch misst, geht spätestens beim 
Laufen in die Knie. 
 
 
Jesus, Forrest Gump und ein 
Hamster 
 
Auf dem Weg zum Ziel ist nur 
der Weg wirklich wichtig. Und das Ankommen. Und sei es auf allen Vieren. 
Schließlich, um es mit dem Dialektik-Triathleten Hegel zu sagen: einmal auf dem 
Kopfe zu gehen. Bei einem Ironman hörst du auf, ans Aufhören zu denken, 
berichtet ASV-Triathlon-Dialektiker Gregor Elskamp, 33. Für diesen Meta-Zustand 
zahlte Elskamp dieses Jahr das Hawaii-Startgeld von inzwischen 450 Euro 
zuzüglich Flug und Unterkunft. Als Lohn dafür, knapp zehn Stunden lang etwas zu 
tun, das man höchstens so erklären kann: Es ist eine Metapher des Lebens. Es 
konfrontiert den Sportler mit jedem denkbaren Element: Kälte, Hitze, Berge, 
Ebenen, Schmerzen, kaputte Reifen, starke Winde, unsagbares Pech, unfassbare 
Schönheit, gähnende Sinnlosigkeit, und vor allem großer, tiefer Selbstzweifel 
(...) Es ist ein Test. Du wirst physisch, mental, und sogar moralisch geprüft. 
Zugegeben, das hat Lance Armstrong über die Tour de France gesagt. Aber der 
ist ehemaliger erfolgreicher Triathlet. 
 
Schwimmen, Radfahren, Laufen. 
Das bedeutet halb Ertrinken und in der Menge baden, Dehydrieren und Endorphine 
ausschütten, Aufgeben und Dranbleiben, Lachen und Heulen, Kämpfen und 
Verkrampfen, Sich Übergeben und Sich Übertrumpfen, Fluchen und Singen, Lieben 
und Leben. Wenn nur die Finishershirts nicht meistens so hässlich wären. 
 
 
 
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              Autor und Copyright: Patrick Krause
  
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