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Detlev Ackermann

 
   
 
   
 
 

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Volkswanderung auf 42,195km durch das Paradies
 
 
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18.12.2002  

 
 

Aus allen Richtungen der Stadt kommen sie geströmt. Rund 26.500 mögen es sein. Die Statistiker werden die Menschenmassen später genau beschreiben können. 56.7% Japaner, 21.8% Einheimische und 17.7 vom großen Festland der USA. Die restlichen 4.4% stellen den Anteil aus anderen Nationen. Zu noch nachtschlafender Zeit, es ist noch nicht 5 Uhr, versammeln sie sich auf dem Ala Moana Boulevard am Ala Moana Beach Park. Müde ist jedoch keiner mehr von ihnen, viel zu groß ist die Aufregung vor dem anstehenden Ereignis. Eher ist nun ein kollektives Fitnessprogramm gefragt. Und so hüpfen, springen und dehnen sie sich zum Takt der Animatöre. Gemeinschaft wird groß geschrieben und sichtbar nach außen getragen. Die zahlreichen Grüppchen demonstrieren ihre Stärke durch leuchtend, bunte Fahnen. Doch eines verbindet sie zu einer großen Gemeinschaft. Nämlich die Teilnahme zum 30. Honolulu-Marathon auf O'ahu. Ein Jubiläumslauf, der alle Rekorde brechen sollte.
 
Zeitangaben auf großen Schildern sollen als Platzierungshilfe dienen. Doch dies ist Nebensache. Gemeinsam stehen sie nebeneinander. Profis und untrainierte Erstläufer. Von der ersten Reihe bis weit ganz nach hinten der Menschenschlange.
Gegen 5:00 Uhr hat das Warten ein Ende. Ein Startschuss, gefolgt von einem grosartigen Feuerwerk setzt sich die ungeduldige Schar in Bewegung. Alles rennt los. Doch kein Chaos bricht aus. Zügig und diszipliniert überschreiten sie die Startlinie. Von Anfang an bis Ende findet jeder Teilnehmer genügend Platz und Freiraum, um sein eigenes Tempo zu finden. Ein erhebendes Gefühl, in der Dunkelheit der Nacht, mitten im Paradies mit dabei zu sein.
 

Mutter mit ihren 2 Kindern. Noch 2km, dann sind auch sie im Ziel.

Trotz noch annehmbarer Nachttemperaturen, kann die Schwüle nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Marathon kein Kinderspiel werden wird. Auch in Hinsicht auf das wellige Profil ist eher ein strategisches Vorgehen empfehlenswert. Doch das beherzigen nur die Wenigsten. Die Meisten entpuppen sich schnell als Debütanten, nachdem ihnen als Sprinter nach wenigen km die Puste ausgeht. Die ersten Gehpausen werden eingeleitet. Während die gut trainierten und erfahrenen Marathonläufer zügig an Strecke gewinnen, zieht sich das Läuferfeld immer mehr in die Länge. Hektik kommt jedoch nicht auf. Im Gegenteil. Immer mehr macht sich eine gewisse Gelassenheit breit, die sich in Richtung Ende zu verstärken scheint. Dies betrifft insbesondere den Teilnehmerkreis, die die Strecke als Walker oder Geher zurücklegen werden. Eine Sollzeit von 9 Stunden gibt ihnen die Berechtigung zu der langsamen Fortbewegung. Man könnte die Volksbewegung durchaus als Wanderspaß für die ganze Familie bezeichnen. Denn nicht nur ältere Teilnehmer haben den Kampf gegen die Marathondistanz aufgenommen, sondern auch Kinder. Während in anderen Ländern Gesundheitszeugnisse oder sonstige Auflagen die Teilnahmebedingungen bestimmen, spielt hier das Alter und das körperliche Befinden eine untergeordnete Rolle. Der spätere, positive Ausgang des Marathon lässt die mit Sicherheit berechtigten Bedenken jedoch schnell verblassen.
 
Während nach einer Zeit von 2:12 Stunden die ersten Finisher die Ziellinie überschritten haben, stellen sich bei km 15 die ersten Ermüdungserscheinungen der untrainierten Erstläufer ein. Der Tag ist lang und irgendwie wird man schon ankommen. Und da man ja noch von zahlreichen anderen Teilnehmern umgeben ist, fällt es gar nicht auf, das sich das Teilnehmerfeld kontinuierlich mehr und mehr in die Länge zieht. Eine endlos erscheinende Karawane besiedelt die Marathonstrecke. Und gemeinsam verfolgen sie ein Ziel, nämlich erfolgreich die Ziellinie zu überschreiten. Egal nach welcher Zeit. Und das Tolle hierbei ist, das jeder Teilnehmer, egal an welcher Position des Läuferfeldes er sich befindet, als Held gewertet wird. Als ambitionierter Marathonläufer mag man mit Sicherheit darüber schmunzeln und sich fragen, was die da eigentlich 9 Stunden lang machen. Witze wie "legen die zwischenzeitlich ein Picknick ein?", oder, "gehen die zwischendurch im Meer baden?", sorgen für Gesprächsstoff der schnellen Teilnehmer. Doch wer mit offenen Augen die Strecke entlang läuft, muss zugeben, die Atmosphäre und die Einzigartigkeit der einmaligen Umgebung sind viel zu Schade, um sie schnellstmöglich vergehen zu lassen.

 
  Mitten im Paradies, mit Blick auf's Meer führt die Strecke auch an zahlreichen Badestränden vorbei.

Aufgemuntert und motiviert werden die Läufer durch zahlreiche Bands am Straßenrand, sowie mehrere Cheerleadergruppen und den Ordnungshütern. Sie alle haben eine gemeinsame Message für die Teilnehmer "good job, you can do it". Eine Motivation, die besonders am Diamond Head motiviert, denn hier befindet sich der größte Aufstieg. Für trainierte Läufer ein gewohnter Hügel, für den ungeübten Anfänger jedoch eine herausfordernder Gebirgsaufstieg. Doch anfeuernde Hilfskräfte am Straßenrand des Aufstieges stehen den eisernen Kämpfern zu Seite. Mit aufmunternden Zurufen hieven sie auch den noch so untauglichsten Läufer über die vielleicht 25m hohe, aber stetig ansteigende Erhöhung.
 
Zahlreiche Versorgungsstellen laden zu einer willkommenen, kurzweiligen Pause ein. Gekühlte Getränke lindern den Durst. Einige sind sogar mit Eiswürfeln heruntergekühlt. Mit Wasser gefüllte Becher müssen für eine kleine Dusche herhalten. Schwämme werden gereicht und dankend entgegen genommen. Das Tropenklima fordert alles von den Teilnehmern. Doch das Wetter meint es dieses Jahr gut mit ihnen. Leichte Winde kühlen etwas und die Wolken halten die erbarmungslosen, wärmenden Sonnenstrahlen in den Morgenstunden noch etwas zurück. Doch trotz allem, die hohe Luftfeuchtigkeit und die Wärme laden nicht gerade zu Bestzeiten ein. Eine Tatsache, die die Teilnehmer eher zu einem lockeren Laufstiel zwingen.
 
Mittlerweile sind 6 Stunden vergangen. Wo in Deutschland ein Marathon sein Ende findet, ist in Honolulu zeitlich gesehen noch lange nicht die Halbzeit erreicht. Um diese Zeit haben gerade mal 58.78% der Gesamteinläufer den Marathon erfolgreich beendet. Die Stunden vergehen und die Läuferdichte scheint nicht abzunehmen. Selbst nach 7 und 8 Stunden ist ein reger Lauffluss Richtung Ziel zu verzeichnen.
Die offizielle Sollzeit von 9 Stunden ist erreicht, doch ein großer Anteil befindet sich immer noch auf der Strecke. Die spätere Ergebnisliste weiß es ganz genau, es waren mindestens noch 780 Laufbegeisterte. Die Beine sind schwer, das anfängliche Lächeln verschwindet immer mehr in den Gesichtern. Doch der größte Teil nimmt es locker. Und somit zündet sich einer der müden Läufer erstmal eine Zigarre an. Andere setzen sich auf die Bordsteinkante und ruhen sich aus. Eine
Zieleinlauf: In Massen strömen sie der Ziellinie entgegen. Egal welche Zeit man gebraucht hat. Viel wichtiger ist, man ist angekommen.
kleine Gruppe von Damen zieht eine kurze Dehn- und Stretchingpause vor. Andere hingegen verweilen am Straßenrand und genießen den Blick aufs Meer. Und wieder ist es der Dimond Head, der gerade die schwächsten Teilnehmer kurz vor km 40 zur Verzweiflung bringt. Völlig geschwächt und mit Muskelschmerzen erklimmen sie den Aufstieg. Um so schlimmer ist der folgende Abstieg, der sich gerade in den Oberschenkeln bemerkbar macht. Aber was ein richtiger Honolulu-Marathon Läufer ist, der denkt nicht ans Aufgeben. Notfalls wird der Abstieg rückwärts gelaufen.
Und so vergehen Stunde um Stunde, bis schließlich nach genau 14:23:49 Stunden der Letzte die Ziellinie erreicht. Auf eine Siegerparty im Zielbereich dürfen die Letztangekommenen jedoch nicht hoffen, denn nach der offiziellen Sollzeit von 9 Stunden fangen die Aufräumarbeiten an. Dennoch dürfen sie sich den Glückwünschen und des Lobes ihrer Leistung sicher sein. Eine Muschelkette, Medaille, sowie Finisher-Shirt weisen sie als erfolgreiche Teilnehmer aus. Und genau das ist es, was beim Honolulu-Marathon zählt. Nicht unbedingt die Zeit, sondern, dass man erfolgreich teilgenommen hat. Lediglich ein schleppender oder unrhytmischer Gang könnte verrat, dass man nicht gerade zu dem kleinen Kreis, der Elite im eigentlichen Sinne, gehört.




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Autor und Copyright: Detlev Ackermann, Laufen-in-Koeln


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